Das virtuelle Klassenzimmer
moodle macht`s möglichVon Marc Raschke
Schulunterricht mit der Lernplattform "moddle"
Dass er früher mal Binnenschiffer war, kommt Dieter Pannen heute sehr
gelegen. Der 58-Jährige ist es gewohnt, auch mal gegen den Strom vorwärts zu
kommen und dabei den Horizont nicht aus den Augen zu verlieren, um auf nahende
Veränderungen angemessen vorbereitet zu sein. "Man darf Wasser nicht wild
machen", ist so eine Regel, die Pannen noch aus seiner Zeit auf dem Rhein kennt.
Was so viel bedeutet wie: Wer den Kurs ändern will, sollte keine großen Wellen
machen, sondern im richtigen Moment mit ruhiger Hand lenken. Eine Erkenntnis, an
der Pannen nun auch als Vorsitzender des Anfang 2007 gegründeten Vereins
"moodleSchule e.V." in Kleve festhält. Schließlich ist die Aufgabe des
Berufsschullehrers aus Moers keine geringere als Lehrer in ganz Deutschland
davon zu überzeugen, die Lernplattform moodle als Ergänzung für ihren Unterricht
zu nutzen. Eine zuweilen schwierige Mission.
Dabei mangelt es Pannen, der bereits seit einigen Jahren "moodlet", nicht an
guten Argumenten für die Seite. Bei moodle handelt es sich nämlich um eine
Open-Source-Software, die ursprünglich von einem Australier angestoßen wurde,
nun gratis im Internet verfügbar ist und die weltweit jeder benutzen darf. Hat
sich ein Lehrer mit seiner Klasse für die Plattform entschieden, kann er dort
einen virtuellen Kursraum eröffnen und unterrichtsbegleitende Testaufgaben,
Projektbeschreibungen oder auch Arbeitsblätter hoch laden. Einmal ins Netz
gestellt, spart er von da ab viel Zeit bei der Unterrichtsvorbereitung, allein
schon, weil das lästige Kopieren in der Schule entfällt. Zudem kann der Lehrer
gezielt bewerten und fördern, weil er nun zu jeder Zeit darüber im Bilde ist,
welcher Schüler seinem individuellen Lerntempo entsprechend wann die Materialien
abruft und wie bearbeitet. Die Leistungen werden transparenter, ebenso auch die
Unterrichtsinhalte und -ziele, die im Archiv gespeichert und jederzeit einsehbar
sind. Im Gegenzug werden die Schüler dazu angehalten, selbstständig,
vorausschauend und eigenverantwortlich zu lernen. Zudem sind sie durch die
Technik gezwungen, ihre Anfragen an den Lehrer auszuformulieren, was neben der
Disziplin auch die Schreibqualität schult. Zwischenrufe in der Klasse? Das war
einmal.
Was auf der Plattform geschieht, entscheiden die Teilnehmer
Doch trotz all dieser Vorteile ist es für Pannen mitunter schwer, im Kollegenkreis Mitstreiter zu finden. "Kuddelmoodle", spotten einige gern. Und als er neulich abends mit Fachleitern zusammensaß, erntete er nur Skepsis. "Bei moodle habt ihr ja keine Inhalte", hört der Vereinsvorsitzende dann meist. "Das ist ja genau das Gute", entgegnet er und versucht stets, das Interaktive und die Flexibilität der Seite deutlich zu machen. Was auf der Plattform geschieht, entscheiden schließlich die Teilnehmer, wobei die Lehrer natürlich ihrem pädagogischen Auftrag folgen sollten. "Jetzt können wir den Schüler auch außerhalb der Schule am Nachmittag erreichen, und zwar auf eine Weise, wie es dem Freizeitverhalten von Jugendlichen entspricht: über das Internet", sagt Pannen. Dass einige Lehrer den Umgang mit moodle dennoch meiden, liegt Pannen zufolge nicht nur an der in vielen Köpfen immer noch verbreiteten Scheu vor neuer Technik. Die Abneigung sei "auch keine Frage des Alters, selbst Jüngere sträuben sich", so Pannen. Es gehe vielmehr um die Frage, inwieweit Lehrer bereit sind, sich auch auf eine neue Lernmethode einzulassen und sich als Autorität in die Karten schauen zu lassen. Bei moodle ist es nämlich auch denkbar, dass Schüler sich untereinander korrigieren oder mehrere Kurse zusammen an einer umfangreichen Fragestellung arbeiten. "Früher hat sich der Lehrer über das Wissen definiert, das er meinte, als Monopol darstellen zu müssen", sagt Detlef Anschlag, der als Lehrer moodles an der Bochumer Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule nutzt. In einer zunehmend komplexer werdenden Welt entwickele sich die Rolle des Lehrers vielmehr zu der eines Moderators. "Ich muss zusehen, dass Prozesse und Material zueinander passen", so Anschlag. Dieser Paradigmenwechsel müsse in vielen Köpfen erst noch erfolgen.
Detlef Anschlag und Dieter Pannen (r.)
Nach 15 Minuten beherrscht jeder Computer-Anfänger die Technik
Immerhin: Was die Technik angeht, so ist moodle absichtlich einfach
aufgebaut, um die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten. "Nach einer
Viertelstunde Einarbeitung kann jeder, der einigermaßen Textverarbeitung am
Computer beherrscht, mit moodle umgehen", sagt Pannen überzeugt. Er schwört auf
moodle, gerade wenn es um Unterrichtsausfälle geht. Im Zweifel kann ein Lehrer
moodle zu Hause vom Krankenbett aus bedienen. Grundsätzlich ist moodle aber kein
Ersatz für den normalen Unterricht. Dies haben bereits Erfahrungen im Bereich
des e-learnings gezeigt, wonach der Unterricht zu einem bestimmten Teil auch als
Präsenzzeit in Kursform angelegt sein muss. Grundsätzlich aber wünscht sich
Pannen, dass das Internet als Lernmedium bereits in der Lehrerausbildung einen
wesentlicheren Stellenwert erhält. Bislang werde noch zu stark darauf geachtet,
wie sich Lehrer als Einzelkämpfer vor einer Klasse bewähren. Die Zukunft aber
liege in Teamarbeit und der Verknüpfung von Wissen. "In der Schule muss man
langfristig denken", so Pannen.