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Liebe Leserin, lieber Leser,

 

geplant hatten wir es nicht - das Buch mit den Briefen an Anne Frank. Geplant war, so wie es die Richtlinien für einen 9. Jahrgang vorsehen, die Beschäftigung mit einem literarischen Text, der den Schülerinnen und Schülern neue Sichtweisen eröffnen sollte. Durch die Auseinandersetzung mit zeitlich Fremdem sollte zu ihrer Orientierung auf wichtige Werte wie Toleranz, Anerkennung von anderen Denk- und Glaubensrichtungen und Gewaltfreiheit beigetragen werden.

Der Sommer des Jahres 2000 bot dann den traurigen Hintergrund für unsere Entscheidung, welchen Text wir mit den Schülerinnen und Schülern bearbeiten wollten. Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten in Deutschland nahmen in erschreckendem Ausmaß zu. Rechtsextreme Symbolik, Äußerungen und Aktivitäten schienen sich immer stärker durchzusetzen, drohten fast "gesellschaftsfähig" zu werden. Menschen anderer Hautfarbe, Rasse und Religion lebten in Angst und Schrecken. Politik und Gesellschaft horchten auf. Wir fanden, dass auch wir unseren Anteil leisten müssten, um Jugendlichen eine Vorstellung davon zu geben, wie sehr Menschen unter den Gräueltaten der Natio-nalsozialisten gelitten haben. Wir wollten ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und so entschieden wir uns, mit einigen Kursen "Das Tagebuch der Anne Frank" zu lesen.

Für viele Schülerinnen und Schüler war diese Lektüre die erste wirkliche Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust. In Referaten erarbeiteten sie den historischen und politischen Hintergrund des kurzen Lebens von Anne Frank. In Gruppenarbeit erstellten sie Porträts der Untergetauchten und der Helfer. Sie beschrieben den Alltag im Hinterhaus und erarbeiteten die Beziehung von Anne zu ihren Eltern, ihrer Schwester und zu den anderen Untergetauchten. Im Unterrichtsgespräch beschäftigten wir uns mit Annes erwachender Sexualität, mit den "normalen" und den spezifischen Erscheinungen ihrer Pubertät und mit ihrem Verhältnis zu Peter. Alle fanden, dass Anne ein starkes Mädchen war und eine wunderbare Schriftstellerin geworden wäre.

Anne wurde den Schülerinnen und Schülern in diesen Wochen immer vertrauter. Die tiefen Einblicke in die von einem etwa gleichaltrigen Mädchen ganz subjektiv verarbeiteten politischen Ereignisse, in ihre Sympathien und Antipathien, in ihre Hoffnungen und ihr Leiden schafften Nähe zur Person und zum Problem. Und so trauten wir uns, ihnen ein Thema für eine Klassenarbeit zu geben, das ein hohes Maß an Verarbeitung des Gelesenen abverlangte. Sie sollten einen Brief an Anne Frank schreiben. Wir waren nach dem Unterrichtsverlauf auf gute

 

Leistungen gefasst. Die endgültigen Ergebnisse überraschten uns dann aber doch: Die Schülerinnen und Schüler verfassten beeindruckende Texte, die ihrer jeweils individuellen Aneignung des Tagebuchs entsprachen.

So bekamen wir eher intellektuell oder politisch ausgeprägte, vor allem aber auch sehr emotionale Briefe zu lesen. Diese tollen Arbeiten wollten wir nicht in der Schublade verschwinden lassen. Und so kam es dann dazu - zum ungeplanten, aber mit Freude zusammengestellten Buch mit den Briefen an Anne Frank.

 

 

Monika Ernst-Stürmann

Elisabeth Quinkert

 

 

 

 

 

P.S.: Jeder der folgenden Briefe hat seine eigene Aussagekraft und Bedeutung in der Zusammenschau des Ganzen! Da es uns ganz und gar unangemessen erschien, "literarische Wertung" an unpassender Stelle zu betreiben, erscheinen die Briefe in alphabetischer Reihenfolge der Vornamen unserer Schülerinnen und Schüler.


zuletzt geändert am 06. November 2001
K. Kostrzewa, D. Anschlag
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